Sinnstiftende Muster und Strukturen

Aktuell leben wir in einer für uns noch nie dagewesenen Situation. Bereits im „Normalmodus“ ist es unglaublich spannend und herausfordernd die beobachteten zeitgeschichtlichen Dinge sinnstiftenden Mustern und Strukturen zuzuordnen. Diese lassen sich nämlich im geschehenden, unmittelbaren Moment noch gar nicht einordnen.

Die Einordnung findet immer erst im Nachhinein statt.

Erst wenn wir wissen, wie etwas ausgegangen ist oder wozu es geführt hat, kann die abschliessende Einordnung und Bewertung definitiv stattfinden. Aus diesem Grund ist es auch leicht nachträglich zu sagen, das hätten sie doch merken müssen und es war doch klar, dass…

Nein, das war es nicht zwingend. Denn erst wer weiss, was kommen wird (und das weiss man rückblickend ja), der kann auch sagen, was die Anzeichen gewesen wären. Kleine Randbemerkung an der Stelle: wer jetzt verwirrt ist, dem lege ich die „Zurück in die Zukunft“-Trilogie wärmstens ans Herz . Marty McFly schafft es spielend genau solche Gedankengänge zu veranschaulichen und denkt oftmals laut mit.

Doch was hat das jetzt alles mit der aktuellen Situation zu tun?

Die Herausforderung ist eine doppelte: erstens ist die ordnende Instanz noch nicht da und zweitens ist das Erlebte völlig neu. Erschwerend kommt dazu, dass viele die Tendenz haben Sicherheit und Stabilität – und wenn das nicht verfügbar ist, dann zumindest verlässliche Ablenkung – im Aussen zu suchen. Wenn dieses Aussen dann durch einen Lockdown, Veranstaltungsverbote und andere Massnahmen massiv eingeschränkt wird oder gar ganz wegfällt, dann wird es auf Dauer kritisch.

Wir haben uns ein System aufgebaut, welches per se erst rückwärtsgewandt sinnstiftend ist und befinden uns gleichzeitig in einer Situation, in der wir dringend Sinnhaftigkeit benötigen.

Die Ablenkung im Alltag ist quasi über Nacht komplett weggebrochen und wird uns nach einer minikurzen Phase der beginnenden Normalität auch schon wieder genommen. Und wenn wir uns dem Alternativ-System zuwenden – dem mit der Sinnstiftung – dann stellen wir fest, dass es exakt am benötigten Punkt – sprich im Hier und Jetzt – inexistent ist.

Was bleibt, ist der – teilweise auch behördlich angeordnete – biedermeiersche Rückzug ins Private. Doch damit haben viele von uns keinerlei Übung, es bestehen weder grossartig Erfahrungswerte noch Strukturen.

An diesem Punkt komme ich auf die yogischen Werte – genauer gesagt auf die Niyamas aus Patanjalis Yoga Sutra – zu sprechen.

Einer davon ist „Svadhyaya“oder auch Selbsterforschung. Hier beschäftigt man sich regelmässig und eingehend mit sich selbst, seinen Strukturen und beobachtet sich und seine Reaktionen in verschiedensten Situationen. Dann, wenn alles gut geht, bräuchte man das nicht und ist oftmals in der Versuchung diese tägliche Routine zu „skippen“.

An diesem Punkt kommt ein weiteres Niyama ins Spiel: „Tapas“ oder Disziplin. Die Routine dann aufrechterhalten, wenn wir sie gar nicht bräuchten – auf diese Weise legen wir mit der Selbsterforschung die Grundlagen für die „schlechten“ Zeiten. Wir weben ein Netz, welches uns dann auffängt. Legen Strukturen an, in denen wir Halt finden in Zeiten wie jetzt, wo gefühlt alles wegbricht und nichts mehr so ist wie es mal war. Wir können dann auf eine – im besten Fall reichlich gefüllte – Toolbox zurückgreifen und uns selber unterstützen, uns die benötigte Ruhe und Objektivität schenken, damit wir im Moment sinnstiftend tätig sein können, indem wir uns selber Halt geben.

Doch neben der intellektuellen Selbsterforschung ist es auch unerlässlich „in den Körper zu kommen“, um die Balance zu halten und ein ganzheitliches Netz zu weben.

So nützlich der Intellekt auch ist, so sehr können wir uns damit auch selber im Weg stehen. Analog zum Hintertürchen, welches Frodo benutzte, um nach Mordor zu kommen, benötigen wir den Körper, um Prozesse anzustossen oder abzuschliessen.

Wenn man bedenkt, dass insbesondere Traumata, aber auch intensive Erfahrungen im Körper selber gespeichert werden, macht es Sinn diesen miteinzubeziehen. Gerade in der aktuellen Zeit, wo wir uns seit Monaten im Überlebensmodus befinden und unser Sympathikus – die für den „Fight & Flight“ Modus verantwortliche Instanz – daueraktiv ist. Dies hat zur Folge, dass der Parasympathikus quasi übersteuert wird und unser Nervensystem einfach nicht mehr zur Ruhe kommt. Nur schon seinen Körper wieder einmal richtig zu spüren und bewusst Spannungen und Verkrampfungen loszulassen, kann helfen zumindest wieder ansatzweise ins Gleichgewicht zu kommen.

2 Antworten auf „Sinnstiftende Muster und Strukturen“

    1. Du hast absolut recht, liebe Tanja. Mit Klugscheisserei hat jedoch nichts zu tun 😉 Ich danke Dir für Deinen Hinweis und fürs Lesen des Beitrages. Habs gleich angepasst.

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