Idol vs. Mensch

𝙸𝚍𝚘𝚕 𝚟𝚜. 𝙼𝚎𝚗𝚜𝚌𝚑

Der Post zur Frage, ob man das Werk vom Autor trennen kann, hat mich nicht mehr losgelassen und die komplexe Thematik verdient es, weiter ausgeführt zu werden. Warum sind unsere Ansprüche an nennen wir sie mal pauschal Idole dermassen hoch?

Wegen ihrer Vorbildfunktion. Weil sie im Rampenlicht stehen. Weil sie Verantwortung haben.

Doch haben wir die nicht alle? Sind wir letztlich nicht alle für irgendjemanden Vorbild oder gar ein Idol? Vielleicht nicht mit der Reichweite, doch alle unsere Handlungen beeinflussen irgendjemanden.

Und doch, die Ansprüche sind höher, das habe ich vorhin beim Anschauen eines Vlogs auf YouTube realisiert. Ich folge da einem Kanal, bei dem Nachhaltigkeit eine grosse Rolle spielt. Im Vlog war plötzlich ein Wegwerfbecher von Starbucks zu sehen. Blitzschnell hörte ich diese hämische Stimme: soso, nachhaltig also? Dieser Anteil in mir ist päpstlicher als der Papst und hat unerfüllbar hohe Ansprüche.

Und die Ansprüche, die wir selber nicht erfüllen können, projizieren wir gerne im Aussen auf andere. 

Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass diese Diskussionen entstehen und oftmals sehr emotional und unsachlich geführt werden. Wobei sich die beiden nicht grundsätzlich ausschliessen, ganz im Gegenteil: wir sollten unsere Emotionen als Schlüssel zur Sachlichkeit nehmen. 

Indem wir sie betrachten, ihnen nachgehen und so unsere Trigger sowie die darunterliegenden Erfahrungen und daraus abgeleiteten Muster aufspüren. Die bewusste Auseinandersetzung und Aufarbeitung lässt uns toleranter werden. Das Spektrum des „Zulässigen“ wird erweitert und wir haben mehr Verständnis.

Weil wir mehr Verständnis für uns selbst haben.
Weil wir keine Aspekte unserer selbst abspalten und ablehnen.
Weil wir unsere Trigger entschärft und unsere Erfahrungen aufgearbeitet haben.

Und so aus Idolen wieder Menschen werden können.

2 Antworten auf „Idol vs. Mensch“

  1. Vielleicht ist es sinnvoll, hier etwas mehr zu differenzieren? Inkl Sachen Nachhaltigkeit, Umwelt- und für mich speziell Tierschutz sind die persönlichen Ansprüche sehr hoch. Eventuell auch aus Schuldgefühlen heraus, dass man selbst „so lange“ gebraucht hat, um die Verbindungen herzustellen? Gerade in solchen Bereichen sage ich schweren Herzens, es ist besser, viele Menschen machen etwas nicht perfekt, als nur wenige machen es zu 102 %. Kann man ja trotzdem, verbietet keiner. Der langsame Mensch lässt sich dennoch mit Lob und Aufmunterung mehr motivieren als mit Gemotze .,. zumal alle von uns ihre Leichen im Keller haben 😉

    Wie sieht das nun in anderen, zum Beispiel musikalischen Bereichen aus? Kann ich beispielsweise wissentlich die Projekte eine verurteilten Mörders mögen und unterstützen? Diese Frage stelle ich mir immer wieder … mein Innerstes sträubt sich, andere können gut. Was ist mit Künstlern, deren Hintergründe nicht bekannt sind? Wo zieht man die persönliche Grenzen?

    Wahrscheinlich ist es für alle viel besser, vor der eigenen Haustür zu kehren, als andere anzugehen. Denn perfekt ist zum Glück kein Mensch …

    1. Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar! 🙏🏻

      Das ist so, gerade im Bereich Tierschutz und Umwelt, benötigt es dringend Millionen von Menschen, die „ein bisschen was“ richtig machen, als ein paar Visionäre, die es in Perfektion umsetzen. Und gerade diese Perfektion als Ziel, blockiert viele, so dass sie gar nicht erst in die Gänge kommen. Es wird sehr oft in „entweder-oder“ und „alles-oder-nichts“ gedacht, dabei sind die Mittelwege sehr viel zielführender und man erreicht so schon unglaublich viel.

      Eine sehr gute Frage! Ich denke, dass da jeder – ob Fan, Musiker oder Veranstalter – seine eigene Grenze ziehen muss. Für mich ist es unfassbar wichtig, dass jemand eine informierte Entscheidung trifft. Dass jemand also vorab die Fakten/Sachlage kennt und daraus seinen Entscheid fällt. Wie der ausfällt, ist nicht egal, aber zweitrangig, da der entscheidende Mensch die Konsequenzen zu tragen hat.

      Unbedingt! Wir sollten immer bei uns selbst beginnen und statt wie erstarrt von der schieren Unlösbarkeit der ganz „grossen“ Probleme nichts zu tun, einfach anfangen uns selbst zu verändern und dadurch in unserem Umfeld zu wirken. Dann wird es gut. Und dann hat es auch irgendwann Einfluss auf die „grossen“ Probleme, obwohl wir diese per se gar nicht direkt angegangen sind. Das ist zumindest meine Erfahrung und meine Überzeugung. Lieber „nur“ im Kleinen ins Tun kommen als in Erstarrung zu verzweifeln.

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